Autoren-Interview mit Christian Dörge

Cassiopeia.Press: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Christian Dörge: Wenn ich mich recht entsinne war dies ein ganz natürlicher, organischer Prozess – die häufig kolportierte Lieber-Deutschlehrer-ich-hab‘-da-was-geschrieben-Phase habe ich übersprungen. Ich habe immer wahnsinnig gern und dementsprechend viel gelesen, und irgendwann – es dürfte zu Beginn der 80er Jahre gewesen sein – war ich der Auffassung, auch Geschichten erzählen/schreiben zu müssen. Schuld daran waren – dessen bin ich sicher – Michael Moorcocks Jerry-Cornelius-Bücher.
Ich habe (meinem Naturell entsprechend) einige Zeit benötigt, um aus der ‚literarischen Anonymität‘ herauszutreten… vermutlich wollte ich auf Nummer sicher gehen: Meine Texte Dritten zum Lesen (und – was schlimmer ist – zum Zwecke der Beurteilung!) zu geben, widerstrebte mir zunächst; ich hatte mir eine Art ‚inneren Bullshit-Sensor‘ erarbeitet, der möglichst zuverlässig verhindern sollte, allzu Amateurhaftes unter die avisierte Leserschaft zu verteilen.
Dass auf besagten Sensor nicht immer Verlass war, bewiesen meine ersten Veröffentlichungen in den Jahren 1984 und 1985 (herrje, ich war damals 15 resp. 16 Jahre alt!), Erzählungen, Kurzgeschichten, die allesamt wohl nicht so aufregend waren. Aber sie waren ein Anfang. Ein Anfang im Bereich Trivialliteratur freilich, Horror, Science Fiction, Fantasy – und ich meine mich sogar an ein bis zwei Kurzkrimis zu erinnern. Ich habe damals viel ausprobieren und veröffentlichen dürfen, es war eine gute, lehrreiche Zeit, für die ich bis heute dankbar bin. Und ich hatte das Glück, seit 1984 niemals für die Schublade schreiben zu müssen.
1987 änderte sich abrupt Grundsätzliches: Ich kam mehr und mehr mit den Werken von James Joyce, Arno Schmidt, Luis Buñuel und vor allem Jean Cocteau in Verbindung, die meinen Blick auf die Kunst im Allgemeinen und die Literatur im Besonderen veränderten. Buchstäblich von heut‘ auf morgen verabschiedete ich mich von dem, was gemeinhin als Trivialliteratur bezeichnet wird, und entwickelte eine Vorliebe für ausgesprochen experimentelle, surreal-expressionistische Texte. Diese komplette Neu-Orientierung war vor allem wirtschaftlich recht gewagt, doch wiederum war das Glück mir zugetan, und es gelang mir, in der literarischen Independent-Szene eine ganz eigene Stimme als Autor und Dramatiker zu entwickeln und diese in den folgenden Jahren sehr erfolgreich in Form zahlreicher Theaterstücke (von denen ich diverse auch selbst inszenierte), Erzählungen, Lyrik-Sammlungen und Romane umzusetzen und auszubauen. Dass meine literarischen Veröffentlichungen ab der zweiten Hälfte der 90er Jahre quantitativ zurückgingen, war vor allem meiner Musiker-Karriere und der daraus resultierenden Einsicht, dass der Tag auch für mich nur 24 Stunden umfasst, geschuldet.

Cassiopeia.Press: Welchem Ihrer Bücher wünschen Sie im Moment besonders viele Leser? Und worum geht es in diesem Buch?
Christian Dörge: Aktuell wünsche ich meinem Buch Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe besondere Aufmerksamkeit, denn es enthält – wie der Titel es bereits andeutet – meine wichtigsten Texte der Jahre 1988 bis 2018: Lyrik, Kurzgeschichten, Erzählungen, Theaterstücke, vollständig illustriert. Die heterogene Struktur dieses sehr umfangreichen Buches (erhältlich als E-Book, Paperback und Hardcover) macht es allerdings schwierig resp. geradezu unmöglich, ein ‚Worum geht’s?‘ zu definieren.

Cassiopeia.Press: Haben Sie Serien geschrieben? An welchen sind Sie beteiligt?
Christian Dörge: Im Jahr 2014 kehrte ich – zögerlich, aber doch – zur etwas geradlinigeren Literatur zurück; ich glaube, mein Autoren-Kollege Michael Breuer hatte mir damals diesen freundlichen Floh ins Ohr gesetzt. Daraus ergaben sich die Noir/SF-Serie Southern Gods und die Post-Doomsday-Serie Futurekill, zu denen aktuell jeweils zwei Bände lieferbar sind, was keine allzu beeindruckende Zahl ist – und allzu deutlich darauf querverweist, das mir die Zeit leider fehlte, diese Serien mit der nötigen Konsequenz zu verfolgen. Aufgrund der langen Unterbrechungen ist fraglich, ob ich die Serien weiterschreiben werde.
Neben dem Zeitmangel ist ein wichtiger Aspekt folgender: Es ist für mich als Autor wichtig, ein Serienkonzept zu erschaffen, das mir interessant genug erscheint, um es auch tatsächlich durchhalten und fortentwickeln zu können, mit Spaß an der Sache zu arbeiten und nicht – ich sag’s ganz offen – die Lust zu verlieren. Daher muss ich’s mir für die Zukunft ganz genau überlegen, mit welchen Serien ich gewissermaßen ‚das Haus‘ verlasse, und diesbezüglich bin ich momentan recht guter Dinge: Ich habe seit Dezember zwei wirklich schöne Konzepte entwickelt – eine etwas andere Regional-Krimi-Serie und eine limitierte Mystery-Serie um eine verschwundene junge Frau. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden (müssen), was daraus wird.
Und dann… bereite ich noch mehrere Beiträge für die SF-Serie Die Raumflotte von Axarabor vor, auf meine Art, was interessant werden dürfte. Hoffe ich zumindest.

Cassiopeia.Press: In welchen Genres schreiben Sie? Nennen Sie in jedem dieser Genres einen exemplarischen Buchtitel!
Christian Dörge: Ich bin kein besonders flexibler Autor, heißt: Ich schreibe nicht auf Zuruf, und es gibt diverse Genres, in denen ich schlichterdings gar nicht schreiben möchte. Letztlich bevorzuge ich künstlerisch motivierte Literatur, die im Dramatischen und Experimentellen zuhause ist, hier sei – wiederum – mein Buch Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe genannt. Ansonsten darf’s gern kafkaesker Cyberpunk sein (Spectropia Suite), ein merkwürdiger Hybrid aus Crime Noir und Alternativwelt-Roman (Southern Gods) oder eine sinistre Dystopie (Futurekill). Oder eine spaßige Zusammenarbeit mit Ronald M. Hahn: Wir beendeten vor rund zwei Jahren Thomas Zieglers legendäre SF-Serie Flaming Bess mit dem sehr, sehr merkwürdigen Roman Der Monolith.
Ansonsten wird sich zeigen, wie’s weitergeht. Und dass es weitergehen muss ist so sicher wie der singularly wild place in Zettels Traum.

Christian Dörge ist mit dem Apex-Verlag und dem Imprint „Der Roman-Kiosk“ unser Partnerverleger im Printbereich. Für mehr Infos zu ihm: www.christiandoerge.de

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