Die Edition Bärenklau freut sich, das Lebenswerk des Schriftstellers Wolf G. Rahn zu veröffentlichen. Wir begrüßen Sie ganz herzlich in unserem Team, Herr Rahn. Vielleicht stellen Sie sich einmal kurz vor. Wer ist Wolf G.Rahn?
Wolf G. Rahn: Ich habe verhältnismäßig spät mit dem Schreiben angefangen. Zunächst hatte ich einen ganz ’normalen‘ Lebenslauf. Kurz vor dem Weltkrieg geboren, war meine Kindheit durch Entbehrungen geprägt. Ich absolvierte die Realschule und die Lehre zum Feinmechaniker, besuchte anschließend neben meiner Tätigkeit als Facharbeiter abends eine Technikerschule, was mir auf Grund meiner Prüfungsergebnisse ein Stipendium für die Ingenieurschule einbrachte. 17 Jahre arbeitete ich dann in einer Firma für feinoptische und elektronische Messgeräte – aber ich spürte, dass ich meine ganze lange Ausbildung dem falschen Beruf gewidmet hatte. Kein Wunder. Durch die Zeit nach dem Krieg manifestierte sich der Wunsch nach Sicherheit, und risikofreudig war ich eigentlich nie. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt dachte ich nicht an eine Karriere als Autor.
Erst als ich mich mit meinem Vorgesetzten überwarf und ich gleichzeitig nebenberuflich viel mehr hätte schreiben können, als ich schaffte, hängte ich meinen ’seriösen‘ Beruf kurzer Hand an den Nagel und wechselte 1980 ins Lager der Berufsautoren.
Zu
meiner Person: Ich war 45 Jahre verheiratet, seit ca. 7 Jahren leider
verwitwet. Ich habe zwei Kinder, drei Enkel und zwei Urenkel. In
Berlin geboren, verschlug es mich aus beruflichen Gründen nach
Oberbayern in eine Kleinstadt, die erst nach dem Krieg entstand. Ich
wohne allein in einem Reihenhaus neben sehr netten Nachbarn und fühle
mich hier wohl. Da mir trotzdem meistens die Decke auf den Kopf
fällt, reise ich gerne und habe erst im hohen Alter von 75 Jahren
mit Fernreisen begonnen, da ich mich zum Glück noch fit genug fühle.
Als Hobby wären vor allem das Singen in einem gemischten Chor und
die Ahnenforschung zu nennen.
Wann haben Sie Ihren ersten Roman geschrieben, wie kam es dazu und wo wurde er veröffentlicht?
Wolf G. Rahn: Eines Tages, da hatte ich mein halbes Leben schon hinter mir, begann ich in meiner Freizeit zu schreiben. Einen Krimi, den ich auch tatsächlich einem Verlag anbot. Ich muss mich dafür entschuldigen, denn das Machwerk war absolut dilettantisch. Natürlich wurde es abgelehnt. Aber dann fielen mir einige Heftromane in die Hand, die ich ganz schrecklich fand. Zum Glück habe ich vergessen, welche es waren. Da dachte ich mir: ‚Wenn du das nicht besser schreiben kannst, dann kannst du wirklich nicht schreiben‘. Ich schrieb also alle 5 Heftroman-Verlage an, die damals existierten, und fragte, ob Bedarf an einem Krimi bestünde. Vom Zauberkreis-Verlag erfuhr ich, wie so ein Manuskript auszusehen habe. Leider wurden keine Krimis gebraucht, aber mit einem Horror-Roman könnte ich es gerne versuchen. Und das Wunder geschah. Mein Erstling, für den ich zwei Monate benötigte, wurde nicht nur angenommen, ich wurde auch zu weiteren Romanen ermuntert. Das war einer der unglaublichsten Momente in meinem Leben. Das Ganze geschah 1976. Damals war ich bereits 38. So viel ist sicher, wäre das Manuskript – es handelt sich übrigens um ‚Diabolons grausiges Streicheln‘, der sogar ins Hebräische übersetzt wurde – abgelehnt worden, hätte dies das Ende meiner kurzen Autorenlaufbahn bedeutet. Insofern ist er mein wichtigster Roman.
Sie haben sehr viele Romane in unterschiedlichen Genes veröffentlicht. Action, Horror, Western, Krimi und Abenteuer. Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Wolf G. Rahn: Meine Vielseitigkeit war während der Zeit des Seriensterbens meine Stärke und meine Rettung. Daran war wieder der Zauberkreis-Verlag Schuld. Dort wurde es manchmal mit dem Jugendschutz arg übertrieben. Eines Tages lehnten sie einen meiner Romane aus diesem Grund ab. Ich war sauer und bot ihn ohne jede Änderung dem Pabel-Verlag an. Schon nach wenigen Tagen rief mich der damalige Redakteur Rainer Delfs ganz begeistert an, und wir vereinbarten eine weitreichende Zusammenarbeit. So kam ich zum Western und doch noch zu meinem geliebten Krimi. Aber um die Frage nach dem meisten Spaß zu beantworten. Das waren vielleicht tatsächlich die Krimis, weil ich mich da am sichersten fühlte. Aber ich habe auch alles andere mit Begeisterung geschrieben und jede neue Herausforderung angenommen. Die größte war wahrscheinlich ‚320-PS-JIM‘, denn vom Trucker-Dasein hatte ich anfangs herzlich wenig Ahnung. Umso mehr haben mich dann die positiven Reaktionen verschiedener Fernfahrer und anderer Leser gefreut. Western habe ich natürlich schon deshalb gerne geschrieben, weil dieses Genre wohl jeden Jungen während seiner Jugend begleitet. Ich hätte massenhaft Arztromane schreiben können, denn der Bedarf war immens. Aber das habe ich abgelehnt, weil mir das medizinische Fachwissen fehlte. Und Wischiwaschi à la Schwarzwaldklinik wollte ich meinen Lesern nicht zumuten.
Ihr Name und der Marken-Verlag sind sehr eng miteinander verbunden. Dort war der Chefredakteur Werner Dietsch. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm, und an welche positiven Ereignisse erinnern Sie sich noch?
Wolf G. Rahn: Mit Werner Dietsch hatte ich nur ganz kurzen Kontakt. Nachdem Pabel fast alle ‚meiner‘ Serien eingestellt hatte, suchte ich händeringend einen neuen Abnehmer. Bei Marken kannte man inzwischen meinen Namen und wusste, dass ich auch Western schrieb. Trotzdem musste ich erst einmal 20 Seiten als Probe einreichen, und damit konnte ich Werner Dietsch offenbar überzeugen. Mein Redakteur war dann aber sein Sohn Olaf, der mich nach und nach bei verschiedenen Serien beschäftigte.
Als der Marken-Verlag seine Pforten schloss, mussten Sie sich neu orientieren. Sie haben auch Krimis geschrieben – u.a. bei KOMMISSAR X. Da fällt mir natürlich auch der Chefredakteur Werner Müller-Reymann ein. Was können Sie hier über die Zusammenarbeit erzählen?
Wolf G. Rahn: Kommissar X schrieb ich ja schon sehr bald, nachdem Rainer Delfs mich ‚entdeckt‘ hatte. Mit Werner Müller-Reymann hatte ich kaum etwas zu tun. Er gab meine Exposés frei und unterschrieb die Verträge. Telefoniert haben wir kein einziges Mal. Das war anders, als Hermann Peters noch lebte, den ich auch persönlich kennen lernte. Mit ihm war die Zusammenarbeit sehr erfreulich, und sein viel zu früher Tod hat mich erschüttert. Danach gab es dann einen ziemlich turbulenten Redakteurswechsel, was den Serien nicht gerade gut tat.
Schildern Sie uns doch bitte einmal einen typischen Arbeitstag aus Ihrer aktiven Zeit. Wie haben Sie recherchiert, wie sind Sie vorgegangen, und welche Freiheiten hatten Sie beim Schreiben, wenn es um feste Serienfiguren ging?
Als ich Freiberufler wurde, nahm ich mir vor, die alten Gewohnheiten beizubehalten. Ich setzte mich also frühmorgens um 7 Uhr an die Schreibmaschine bzw. später an den Computer und fing zu schreiben an. Nach einer Mittagspause ging es dann weiter bis gegen halb fünf. Ich war also nie ein Mensch, der bis in die Nacht hinein seine Gedanken aufs Papier hämmerte. Ein ganz normaler 8-Stunden-Tag. Was die Recherche betrifft, habe ich natürlich viel Fachliteratur gelesen. Wenn es um feste Serienfiguren ging, musste ich auch die bereits erschienenen Romane der Serie studieren. Beim Kommisar X waren lediglich die Hauptakteure mit entsprechendem Aussehen und Eigenschaften vorgeschrieben. Die gesamte Handlung konnte ich selbst entwickeln.
Grundsätzlich
habe ich immer versucht, so zu schreiben, wie ich es gerne lesen
wollte. Natürlich spannend und nicht zu viele Ortsbeschreibungen,
für die auf 60 Seiten ohnehin nicht viel Platz blieb. Auch wollte
ich dem Leser gegenüber immer fair bleiben. Aus einem technischen
Beruf kommend, lag mir die Logik am Herzen. Aufgeworfene Fragen
mussten innerhalb des Romans auch schlüssig beantwortet werden. Ganz
ärgerlich habe ich schon immer gefunden, wenn Autoren (auch durchaus
namhafte) nach einer verzwickten Handlung plötzlich eine Lösung
oder einen Täter aus dem Hut zaubern, der während des ganzen Romans
überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist.
Wie lange haben Sie gebraucht, um einen Roman zu schreiben? Da Sie ja bei mehreren Verlagen als Autor tätig waren, kann ich mir gut vorstellen, dass es manchmal sehr enge Abgabetermine gab.
Wolf G. Rahn: Da ich ja vorher einen gut bezahlten Job hatte, wollte ich mich nicht finanziell verschlechtern. Ich musste also einiges schaffen. Einen Roman schrieb ich in ungefähr einer Woche. Hinzu kam noch die Entwicklung der Idee, das Verfassen jeweils verschiedener Exposés und natürlich die Recherche.
Also
in Terminschwierigkeiten bin ich nie gekommen. Ich war ja nicht einer
der ganz Großen mit tausend und mehr Romanen. Ich hatte zudem das
Pech, dass schon wenige Monate, nachdem ich mich selbständig gemacht
hatte, das große Seriensterben anfing. Die Autoren bemühten sich
also eher um Aufträge, als dass sie damit überlastet gewesen wären.
Nur in vereinzelten Fällen musste ich schnell reagieren, wenn ein
Kollege einen zugesagten Termin nicht einhalten konnte.
Nun erscheinen Ihre Romane endlich wieder – diesmal als eBook. Viele Romane Ihrer einstigen Kollegen Werner Dietsch, Horst Weymar Hübner, John F. Beck und Dietmar Kuegler sind wieder in verschiedenen Serien vereint. Wie empfinden Sie das heute?
Wolf G. Rahn: Ich finde das unglaublich spannend, zumal ich niemals damit gerechnet hatte, dass meine Romane nach drei Jahrzehnten wieder von Interesse sein könnten. Das eBook-Geschäft ist Neuland für mich, aber ich fühle mich in prominenter Gesellschaft durchaus wohl. Die Situation ist diesmal eine andere. Als ich meinen ersten Roman verkaufte, war ich völlig ahnungslos, was dieses Geschäft betraf. Ich hatte keinerlei Kontakt zu anderen Kollegen, wusste nicht, was üblicherweise für ein Manuskript bezahlt wurde (die überraschenden Unterschiede erfuhr ich erst später) und schrieb in meinem Kämmerlein einsam vor mich hin. Heute sehe ich das Ganze lockerer. Es ist nicht mehr mein Job, von dem ich eine Familie ernähren muss. Aber natürlich hoffe ich, dass meine Texte auch heute wieder ihre Leser finden. Ich wundere mich ja selbst, was mir damals alles eingefallen ist.
In Kürze werden ja auch zwei bisher noch unveröffentliche Romane von Ihnen erscheinen. Wie kam es dazu, dass diese nicht mehr bei den betreffenden Verlagen veröffentlicht wurden?
Wolf G. Rahn: Die Antwort ist ganz einfach. Die Serien wurden eingestellt, und dann wurden auch bereits angenommene Manuskripte mit einem Bedauern – und ohne Honorar – wieder an den Autor zurück geschickt. Das passierte mir nicht nur bei den beiden genannten Romanen.
Wenn Sie jetzt noch etwas zum Schluss sagen möchten, dann wäre jetzt und hier die passende Gelegenheit für Sie.
Wolf G. Rahn: Ich habe damals schnell gemerkt, dass die Serien mit wiederkehrenden Helden, ähnlich den Daily Soaps im Fernsehen, bei den Lesern am besten ankamen. Nach langem Kampf mit dem zuständigen Redakteur gelang es mir schließlich, meine eigene Horror-Serie durchzusetzen. Leider war ihr nur ein kurzes Leben vergönnt, weil der Verlag das Zeitliche segnete. Deshalb freut es mich, dass die Edition Bärenklau inzwischen auch die damals nicht mehr gedruckten Romane veröffentlicht hat. Mein ‚Milton Sharp‘ war kein Superman wie die meisten Serienhelden, sondern ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Inzwischen wurde ein abschließendes Manuskript veröffentlicht, wodurch ich nach ungefähr drei Jahrzehnten ein logisches Ende herbeigeführt habe. Ich würde mir wünschen, dass die Serie mit dem Einstiegs-Roman ‚Das Monster von Seaford‘ bei den Lesern entsprechende Beachtung findet.
Als ich meinen erlernten Beruf aufgab, glaubte ich, dass der Heftroman ewig leben würde, hatte es ihn doch bereits während meiner Schulzeit gegeben. Das war ein schmerzlicher Irrtum, der eine finanzielle Katastrophe befürchten ließ. Inzwischen ist er fast gänzlich vom Markt verschwunden. Bevor auch noch meine letzten Serien eingestellt wurden, sah ich mich nach einem neuen Betätigungsfeld um und fand es bei den zahlreichen Publikumszeitschriften, für die ich fortan regelmäßig Kurzromane und Kurzkrimis schrieb, die zum großen Teil ebenfalls als E-Books erscheinen und eine erfreulich große Leserschaft finden. Mit Erreichen des Rentenalters stellte ich meine Tätigkeit als Autor mit wenigen Ausnahmen ein.
Wir bedanken uns für dieses Interview.
Wolf G. Rahn: Ich bedanke mich auch für das Interesse und freue mich über unsere Zusammenarbeit.